Morgens vor der Abreise erhalten wir wieder einmal eine Überraschung bosnischer Art. Der Preis für das Zelt ist nun plötzlich doppelt so hoch, d.h. die 5 €, die wir am Vortag vereinbart hatten, sollen nun doch nur pro Person gelten. Dabei habe ich gestern genau das nachgefragt. Vermutlich brachte das den Chef gerade auf die Idee.
Mit frischem Hinterfelgen verlassen wir die Stadt Plovdiv, in der wir gut noch ein paar Tage zubringen könnten. Die Strecke ist mehrheitlich wie erwartet topfeben und monoton. Nur die bulgarische Strasse verlangt uns einiges ab. Pez wird vorne gründlich durchgerüttelt und am Steuer hinten fordern die unzähligen Löcher und Hügel volle Konzentration.
Ausgeruht und bei bestem Wetter geht es wieder los, auf zu den letzten Kilometern. Doch schon nach den ersten Kurven ist beinahe Feierabend. Ich war zu faul, um das ganze Material einzeln über eine kleine Brücke zu tragen und versuche alles am Stück über die unglaublich steile Rampe hoch zu schieben. Dabei ziehe ich am Sattel und merke nicht, dass ich das hintere Rad hoch hebe.
Nach dem sintflutartigen Regen der letzten Tage meldet sich die Sonne zurück als wäre nichts gewesen. Nur die Strassen weisen erhebliche Schlammspuren auf. Oryakhovo wirkt so überhaupt nicht als wichtiger Grenzort und wir fürchten schon wieder vor verschlossener Grenze zu stehen. Am Hafen zeigt sich aber im Inneren der tot geglaubten Gebäude doch ein wenig Leben.
Über ein paar weitere Karpatenhügel kommen wir endlich nach Vatra Moldoviţei in der rumänischen Provinz Moldau (Moldova), die nicht mit der angrenzenden Republik Moldau verwechselt werden sollte. Plötzlich stehen wir praktisch vor den Toren der berühmten Klosteranlage, was uns etwas verwirrt.
Endlich steuern wir die Baltischen Staaten an und sind gespannt, wie sich diese in den letzten Jahren weiterentwickelt haben. Schon der Grenzübergang verrät, dass Litauen vollends in der EU angekommen ist. Ausser ein paar rostigen Hütten ist da nicht mehr viel. Einige Radumdrehungen nach der Grenze finden wir einen neuen, super modernen Holzbau als Touristeninformation vor.
Durchgefrohren geniessen wir als erste Gäste im kleinen Stehkaffee-Häusel auf dem Campingplatz einen heissen Kaffee und ein paar Brötchen, bevor es heisst; aufi geht's! Die Strecke ist perfekt, angenehme Steigung und landschaftlich reizvoll, wenn da nur nicht der Osterverkehr Richtung Süden wäre.
Die Nacht war nicht mehr schweine kalt, so dass es uns schwer fällt aufzustehen und zusammenzupacken. Derweil flitzt ein roter-Ortlieb-Blitz heran und bremst abrupt. Die Unterhaltung am frühen Morgen ist kurz; wer, was, woher, wohin? Matthias aus München ist nach Rom unterwegs.
Mit jedem Meter, den es weiter Richtung Bozen hinunter geht, wird es frühlingshafter.
Einige Kilometer geht es weiter entlang der Küste bis nach Senj. Hier verlassen wir die Küstenstrasse und fahren 20km den Vrtnik-Pass hinauf, der ins Kvarner Hochland führt.
Die Steigung der Passstrecke ist mit 4-6% zwar sehr angenehm, doch einfach unendlich.
Endlich lichtet sich die Wolkendecke und die Sonne ist sogar zu sehen. Erstaunt erblicken wir an den gegenüber liegenden Hügeln Neuschnee. Als wir bezahlen wollen, geht das Theater um den Preis erneut los. Der Chef versucht es wieder und behauptet einfach, wir hätten den doppelten Preis vereinbart.
Gemütlich gehen wir die knapp 20km Passstrecke an. Nur ab und zu fallen ein paar Regentropfen aus vorüber ziehenden Wolken. Auf dem Makljen-Pass auf über 1000m ü. M. ist es ohne Sonne erfrischend kühl. Trotzdem entlockt uns das gross ausgeschilderte Ski-Gebiet mit einem knapp 500m Hang ein leichtes Schmunzeln.
Gemütlich schaukelte die Fähre von Helsinki nach Rostock, wo wir nachts um 23:00 Uhr ankommen und ein paar Stunden zu überbrücken haben. Glücklicherweise hat die Wartehalle im Hafen bis 5:00 Uhr geöffnet, so dass wir doch noch zu einem kurzen Nickerchen kommen. Als wir raus müssen, ist es immer noch stockfinstere Nacht und wir ärgern uns über die defekte Birne am Scheinwerfer vorne.
Nach einem Tag mit viel Schlaf fühlen sich meine Knie immer noch etwas weich an, dafür bleibt aber wenig Zeit, denn es geht direkt in die Karpaten. Nicht wie erhofft über einen schönen Pass, nein, es geht über ein Pässchen nach dem anderen. Immer ein paar hundert Höhenmeter rauf und wieder runter.
Endlich konnten wir die gut ausgerüstete Werkstatt von Velokurier Michael Döring in Schaffhausen stürmen. Endlich den Pino-Hasen einmal bis auf die Knochen zerlegen und jede Schraube begutachten. Auf den bisherigen Touren hatte ich immer ein etwas mulmiges Gefühl, weil wir das Tandem frisch ab Presse übernommen haben und das Detailleben mehrheitlich unbekannt war.
Auch wenn die Gegend rund um Kolka mit dem 'end of the world feeling' zu dieser Jahreszeit äusserst erholsam war, müssen wir weiter, um bald einmal Tallinn zu erreichen. Die Strecke Richtung Riga ist wie geschaffen zum gemütlich dahin rollen. Nach einer Weile werden wir aber aus der Träumerei während der ruhigen Fahrt zur Realität auf den Asphalt zurück geholt.