24.08.2004 - Lettland
- Tagesstrecke: 99 Km
Die Strasse durch den Slīteres Nationalpark, welche von den Sowjets schnurgerade durch den Wald geschlagen wurde, wurde bis heute kaum verändert. Durch die absolute Isolation der Region und die paar wenigen Menschen, die noch eine eher spärliche Landwirtschaft betrieben, hat vor allem die Natur profitiert. Das Interesse der Militärs galt einigen wenigen Punkten an der Küste und der Verbindungsstrasse, der ganze Rest war für sie nicht von Bedeutung. Durch die ungestörte Sukzession bildeten sich ausgedehnte und dichte Wälder, die durch ihre Wildheit an Urwälder erinnern. Auch die Vogelwelt profitierte von der Ruhe, so brüten seit längerem Schwarzstörche im Nationalpark.
Einige Radfahrer, die wir trafen, warnten uns eindringlich vor dieser Strecke. Die Schotterpiste sei kaum zu befahren und eine endlose Angelegenheit. Je grösser das Gejammer, desto eher wollen wir diese Strecke fahren. Auch für uns wurden es schliesslich lange 50 Km, doch der Spass überwog doch noch dabei. Der Vorteil meiner Federgabel macht sich hier deutlich. Während David über schmerzende Schultern und Handgelenke klagt, beschränken sich die Unannehmlichkeiten bei mir auf das übliche, den Allerwertesten.
Kaum haben wir wieder befestigte Strasse unter uns, geht es rasant auf Ventspils zu. Gerade noch rechtzeitig erreichen wir die Touristeninformation und fragen nach preiswerten Übernachtungen. Mit einer Liste von Privatzimmern in der Hand fahren wir die erste günstigste Adresse an. Ungläubig stehen wir schliesslich vor einem tristen, grauen Bau, der so überhaupt nicht nach Touristen aussieht. Ein paar Mal fahren wir die Strasse auf und ab, um ganz sicher zu sein, dass dies die richtige Adresse ist.
Es nutzt alles nichts, also drücken wir todesmutig die Klingel. Und tatsächlich, mit kurzer Verzögerung auf das Scheppern der Klingel geht ein lautes Theater samt Hundegebell hinter dem verschlossenen, riesigen hölzernen Eingang los. Doch bis uns jemand öffnet dauert es. Zögerlich tut sich in der lotterig grauen Türe einen Spalt weit auf und eine grosse, porige Nase zeigt sich misstrauische im dunklen Türspalt. Nach einigen englischen Wortfetzen fliegt die Tür ganz auf, eine Grossfamilie über drei oder gar vier Generationen steht im Hof und starrt uns an. Dann ergreift der kleinwüchsige, aber gut genährte Patriarch im abgetragenen Jogginganzug, das Kommando. Es kann ihm alles nicht schnell genug gehen. Bevor wir uns versehen, ist das Gepäck einquartiert, einige belegte Brote mit Tee stehen bereit und die Wäsche wollen sie uns auch gleich noch waschen. Doch nach einigem Zögern schlagen wir das letzte Angebot vorsichtshalber aus, denn unsere Wäsche stinkt zum Himmel. Die wollen wir der Familie nicht zumuten.
Die Wohnung, die wir hinter der abweisenden Fassade der Villa Mazais beziehen, könnte nicht besser sein. Eine komplett ausgestattete Wohnung, mit Blick auf den grosszügigen Garten der Familie, den man von der Strasse aus keinen Falls vermuten würde. Das ganze kostet uns gerade mal 3 Lt. (± 4.5 €) pro Person und Nacht.
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